Fraktionserklärung der CVP-BDP-Fraktion betreffend Asylunterkunft in Bettwil

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Dame und Herren Regierungsräte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen

Unser Land ist zu Recht stolz auf seine humanitäre Tradition. Diese gebietet uns, den an Leib und Leben Verfolgten und Schutzbedürftigen Asyl zu gewähren, so lange eine Hilfe vor Ort nicht möglich ist.
Durch die revolutionären Umstürze in ganz Nordafrika sehen wir uns aber mit einer überwältigenden Zahl von Asylsuchenden konfrontiert, vor allem junge, arbeitsfähige Männer. Ob sie tatsächlich so schutzbedürftig sind wie beispielsweise Frauen und Kinder, die alle in den unsicheren Verhältnissen in ihrem Heimatland zurückbleiben, ist hier die Frage. Eigentlich müsste man annehmen, diese Männer werden nun für den Aufbau in ihren Ländern benötigt. Und sollten sie tatsächlich politisch verfolgt sein, liegt der Verdacht nahe, dass sie den gestürzten Regimes angehört haben.
Brisant ist auch,  was wir in der letzten Sonntagszeitung und auch in der heutigen AZ lesen konnten. Offenbar sind es gerade Asylbewerber aus dem nordafrikanischen Raum, die besonders häufig kriminell werden und sich renitent gegen die Behörden verhalten. Unser Herr Landammann hat dies in der Presse bestätigt. Unter diesen Voraussetzungen ist es nur zu gut verständlich, dass in Bettwil Angst herrscht. Die geplante Einquartierung von 140 nordafrikanischen Asylsuchenden in der 560-Seelen-Gemeinde ist ein Verhältnisblödsinn und trägt dem Schutzbedürfnis unserer Bevölkerung überhaupt nicht Rechnung. Der Bund hat Medienberichten zufolge vertieft Abklärungen für das so genannte „Holländer Modell“ getroffen und sich vor Ort über die zentralen Grossunterkünfte informiert, in dem sowohl die Flüchtlingsorganisationen und ihre Anwälte als auch die Vertreter der Behörden immer verfügbar sind und somit das ganze Verfahren wesentlich schneller abgewickelt werden kann. Auch unter dieser Prämisse ist es nicht einzusehen, dass solche verhältnismässig kleinen Unterkünfte eröffnet werden. Dies ist ineffizient. Laut Medienmitteilung von gestern Abend soll der Aargau sogar jeden Monat 180 neue Asylsuchende unterbringen. Wie soll das funktionieren? Jeden Monat eine neue Causa Bettwil? Und glauben Sie unter diesen Umständen tatsächlich daran, dass die Unterkunft nur sechs Monate offen bleibt?
Es ist ganz klar, der Handlungsbedarf im Asylwesen liegt beim Bund! Das Subsidiaritätsprinzip unseres Staates verlangt, dass jede Aufgabe von derjenigen Staatsebene gelöst werden muss, die am besten dazu in der Lage ist. Die Asylproblematik kann nur schweizweit gelöst werden und darf nicht einfach an die Kantone und schon gar nicht an die Gemeinden weiterdelegiert werden. Das verzettelt das ganze Verfahren und ist schlussendlich nur ein Abschieben.
Der Bund hat viel zu spät auf den zu erwarteten Flüchtlingsstrom aus Nordafrika reagiert und sucht nun verzweifelt neue Unterkünfte. Eine hat er auf dem Jaunpass gefunden, die zweite will er jetzt in Bettwil eröffnen. Nur schon diese Gegenüberstellung zeigt die Unsinnigkeit des Ganzen. Und, was wir für viel bedenklicher halten, es zeigt den vorauseilenden Gehorsam und das Musterschülerverhalten unserer Aargauer Regierung! Frau Regierungsrätin, Sie sind von den Aargauerinnen und Aargauern gewählt und stehen daher in der Pflicht der Aargauer Bevölkerung. Wir erwarten, dass Sie gegenüber dem Bund Druck machen, damit er auf den Standort Bettwil verzichtet. Es geht dabei nicht um eine St. Florianspolitik und auch nicht darum, dass diejenigen Gemeinden, die sich lautstark wehren, verschont bleiben und andere dafür in den sauren Apfel beissen müssen, sondern die fragliche Unterkunft ist schlicht ungeeignet und der Bund lässt keinerlei konsequente Konzeption erkennen. Er muss endlich die Asylproblematik gesamtheitlich angehen, mit der EU und den Herkunftsländern verhandeln, die Verfahren beschleunigen und – ganz im Sinne unserer humanitärer Tradition – Aufbauhilfe vor Ort leisten, anstatt Millionen in eine verfehlte Flüchtlingspolitik zu stecken. Wie der Bundesrat in einer Antwort auf eine Interpellation unserer Nationalrätin Esther Egger bereits im März 2011 aufzeigt, hat er einige Projekte bereits initiiert und Fachleute vor Ort. Umso mehr erstaunt es, dass er vom Ausmass der Flüchtlingswelle ziemlich überrascht worden ist. Als Notmassnahme muss das VBS endlich seine Scheuklappen fallen lassen und die Standortsuche auf ein, zwei nur noch sporadisch benutze Schiessplätze und Kasernen ausdehnen, wo Unterbringungsmöglichkeiten für über 1000 Flüchtlinge vorhanden wären, ohne dass die Bevölkerung im gleichen Mass wie in Bettwil in Mitleidenschaft gezogen würde.

Die verbalen Entgleisungen in Bettwil sollen nicht entschuldigt werden, aber da die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen gestellt worden ist, sind ihre Ohnmachtsgefühle absolut nachvollziehbar, und Ohnmacht generiert bekanntlich Wut. Wie über jegliches demokratisches Mitbestimmungsrecht hinweggegangen wurde, ist skandalös. Der Einbezug der Bevölkerung in eine Arbeitsgruppe ist hier nur eine Alibiübung, wenn der Entscheid doch feststeht. Offenbar hat der Kanton auch keine Lehren aus dem Fall Rekingen gezogen, wo es ebenfalls zu grossen Protesten kam, weil die Einwohner kein Mitspracherecht hatten. Mit diesem Vorgehen dient der Bund, und dienen Sie, Frau Regierungsrätin, weder der Aargauer Bevölkerung noch den wirklich Verfolgten. Diese Aktion hat lediglich dazu beigetragen, dass nun allen Asylsuchenden offene Ablehnung und leider noch viel Schlimmeres entgegenschlägt.

Die CVP-BDP-Fraktion ist sich bewusst, dass eine Lösung auf höherer Ebene gesucht werden muss und dass darum eine Vorstossflut zu diesem Thema hier im Grossen Rat nicht zielführend ist. Daher will sie einerseits diejenigen unter uns wachrütteln, die ab nächster Woche in Bern politisieren. Unsere dringendste Forderung richtet sich jedoch an die Regierung: Handeln Sie im Sinne und im Interesse der Aargauer Bevölkerung, bieten Sie keine Hand für einen absolut ungeeigneten Standort, erhöhen Sie den Druck auf den Bund für eine gesamtheitliche Lösung und nehmen Sie  für einmal keine Vorreiterrolle wahr. Es ist nicht mehr als ein frommer Wunsch seitens der Regierung, dass andere Kantone freiwillig nachziehen. So lange Bern seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, kommt weder Bettwil noch ein anderer vergleichbarer Standort im Aargau in Frage. So darf man nicht mit der eigenen Bevölkerung umgehen! Daher schliessen wir uns der Forderung an: Bettwil so nicht! Denn: Bettwil ist überall!

 

Die grüne Partei reichte einen Antrag auf Direktbeschluss zur Schaffung einer Standesinitiative bezüglich Bundesunterkünfte für Asylsuchende ein. Mehr...