Wer hat Angst vor der Eingangsstufe?

Verfolgt man die Diskussion um das Kleeblatt „Eingangsstufe“, wird man vor allem mit Ängsten und Bedenken konfrontiert. Die neue Eingangsstufe hat aber nicht die Abschaffung des Kindergartens zur Folge, nur die Streichung dieses Begriffes in der Verfassung und im Schulgesetz. Was abgeschafft wird, ist der abrupte Übergang vom Kindergarten zur Schule, der für viele Kinder entweder zu früh oder zu spät erfolgt. Gerade in der heutigen Zeit, in der die meisten Kinder höchstens noch ein Geschwister haben und die Grossfamilien weitgehend der Vergangenheit angehören, ist eine altersdurchmischte Lernform für das Sozialverhalten enorm wichtig. Grössere Kinder dienen dabei als Vorbild, und diese wiederum lernen, auch auf jüngere Kinder Rücksicht zu nehmen. Die im Interview des BBA vom 24. April von Heidi Schild geäusserten Bedenken, dass die schwächsten Kinder während vier Jahren ihre Unzulänglichkeit zu spüren bekommen, kann ich nicht nachvollziehen. Kein Kind ist in allen Bereichen leistungsschwach! Im Gegenteil, da jedes Jahr wieder jüngere Kinder in den Klassenverband kommen, hat auch ein schwächeres Kind Gelegenheit, sein Wissen und sein Können weiterzugeben und seine Lernfortschritte zu spüren. In einer Jahrgangsklasse wäre es immer am unteren Rand des Leistungsspektrums.
Das heutige System des Separierens bringt für die betroffenen Kinder neben dem Gefühl, ein „Sonderfall“ zu sein, auch oft einen längeren Schulweg mit sich, da gerade im ländlichen Raum nicht jede Schule eine Einschulungsklasse anbieten kann. Das knapp 7-jährige Kind wird aus dem Klassenverband und aus der vertrauten Umgebung gerissen. Und wenn betreffend des Bildungskleeblattes mit hohen Kosten argumentiert wird, sollte man sich einmal vor Augen führen, wie hoch die Kosten für die heutigen Einschulungsklassen oder für eine Kleinklasse  und für den Schülertransport sind.
Für Kinder ist ein Zusammensein mit älteren und jüngeren Kameraden anregend und interessant. Dass vier Jahrgänge miteinander lernen, ist ja überhaupt nichts Neues. Schon immer führten kleine Schulen Mehrklassenabteilungen oder sogar eine Gesamtschule, ohne dass dabei die jüngsten Kinder unter die Räder gekommen wären. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen noch die aktuellste Ausgabe der Zeitschrift „wir eltern“ ans Herz legen, in der ein Erfahrungsbericht aus einer Basisstufe und ein Interview mit Remo Largo (Autor von „Schülerjahre“) zu finden sind. Dass es für diese Schulform Pädagoginnen und Pädagogen mit Herzblut braucht, ist uns allen bewusst. Aber es geht hier schliesslich um den Einstieg in die schulische Laufbahn unserer Kinder, von dem es abhängt, ob die Lernfreude geweckt und für die weiteren Schuljahre beibehalten werden kann. Ich bin überzeugt, dass dies mit der neuen Eingangsstufe noch besser  möglich ist, und stimme daher am 17. Mai der Verfassungsänderung und dem Kleeblatt 1 zu – wie übrigens auch den anderen drei Kleeblättern.   

Alexandra Abbt, Grossrätin, Islisberg