Nationalratswahlen 2011 - ein Fazit:

Die Wahlen sind vorbei und endeten für die CVP Aargau mit einem Desaster: zwei von drei Sitzen gingen verloren! Durchgestartet sind dafür die beiden neuen Parteien BDP und GLP, die im Aargau zum ersten Mal an einer Nationalratswahl teilgenommen haben.
Neben der persönlichen Tragik für unsere nicht mehr gewählte Nationalrätin Esther Egger ist dieses Resultat auch für all die zahlreichen Helferinnen und Helfer in den Ortsparteien, aus dem persönlichen Umfeld und sonstigen politischen Sympathisanten mehr als frustrierend, denn sie alle haben viel Zeit, Energie, Geld und Herzblut in diesen Wahlkampf gesteckt.
Mit meinem persönlichen Resultat als Erstkandidierende gleich hinter den Spitzenkandidaten bin ich hingegen sehr zufrieden. Trotz meinem eigenen Erfolg und natürlich auch im Hinblick auf die nächsten Wahlen stellt sich aber die Frage, wohin die CVP sich entwickeln soll.

Als erste Reaktionen nach den Wahlen verlangten einige der Kandidierenden, dass die CVP künftig auf ihr „C“ verzichten solle. Damit könne man bei den Jungen nicht punkten. Ich halte es für den grössten Fehler, den die CVP begehen könnte, wenn sie auf diese Forderung eingeht. Streicht sie das Etikett „Christlich“ aus dem Parteinamen, reiht sie sich nahtlos in die Beliebigkeit der so genannten „neuen Mitte“ ein. Denn was unterscheidet unsere Partei dann noch von einer BDP und den Grünliberalen? Es ist doch gerade das Politisieren aus dem Verständnis des Christentums heraus, das uns auffordert, Verantwortung für das gesamte Gemeinwesen zu übernehmen, aber auch Eigenverantwortung von jedem Einzelnen zu verlangen, da man Christ sein nicht an den Staat delegieren kann. Mit dieser Grundhaltung müssen wir die anstehenden Probleme angehen und damit auch wieder das  Vertrauen schaffen bei der Bevölkerung, dass wir in der Lage sind, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
Nichts anderes als ein grosser Vorschuss an Vertrauen hat die neuen Parteien in ihre heutigen Positionen gebracht, da man bei ihnen und ihren Kandidierenden nichts aus einer bisherigen Leistung ableiten kann.
Eine Partei darf nicht einfach ihre grundsätzliche Haltung ändern, nur weil die jungen Wähler dass nicht mehr attraktiv finden. Dann machen wir uns tatsächlich zu einer Wischi-waschi-Partei, die bei jeder Gelegenheit ihren Mantel wechselt, nur um bei den Wählern zu punkten. Wir müssen akzeptieren, dass wir im Moment nur eine 10 %-Partei sind, aber das darf kein Grund sein, unsere christliche Werthaltung über Bord zu werfen. Nicht die Partei hat die falsche Politik betrieben, sondern wir haben auf der Stufe Kantonalpartei einen schlechten Wahlkampf gemacht und unsere Partei schlecht verkauft. Das ist für mich das Fazit aus dem  Wahlresultat.
Eine weitere Stimme meinte, dass wir einen Sitz wegen des Atomausstiegsentscheid verloren hätten. Es ist richtig, dass die CVP im Bezirk Zurzach der Kernenergie sehr nahe steht. Doch auch im Zurzibiet haben BDP und GLP, die ja bekanntlich vehement für den Ausstieg sind, genau gleich gepunktet wie im übrigen Aargau, ohne dass die FDP und die SVP als atomfreundliche Parteien kleinere Verluste eingefahren hätten. Im Gegenteil, ich bin überzeugt, dass der Ausstiegsentscheid uns davor bewahrt hat, noch tiefer abzusinken. Was man der Kantonalpartei aber vorwerfen kann, ist die zögerliche Haltung in dieser Sache. Schliesslich liegt dieser Entscheid ja nicht in der Kompetenz der Kantone, daher hätte man ruhig sofort unsere Aargauer Bundesrätin vorbehaltlos unterstützen dürfen. Die Botschaft, die aber gegen aussen durch die verwirrende Kommunikation und das Verhalten einiger unserer Grossräte ankam, war folgende: man will niemanden brüskieren, schon gar nicht die finanzkräftige Atomlobby, man will es allen recht machen und sich alle Optionen offen halten. Das ist kein politischer Entscheid, das ist ein Herumlavieren! Und das hat in diesem Fall nichts damit zu tun, dass wir Grundsätze über Bord geworfen hätten, um neue Wähler zu gewinnen. Unser Grundsatz in der Energiefrage war es immer, saubere und günstige Energie nachhaltig und sicher im Inland zu produzieren. Nach Fukushima müssen wir akzeptieren, dass mittelfristig keine politische Akzeptanz für neue Kernkraftwerke in unserem Land zu finden ist. Also ist es jetzt wichtig, klare Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Forschung aufzustellen und neue Technologien zu finden, die oben genannte Bedingungen erfüllen. Auch dies muss aus einem christlichen Weltbild und unter dem Aspekt der Bewahrung der Schöpfung heraus vorgenommen werden.
Unser Umfeld verändert sich rasend schnell und die Politik kann nur noch reagieren. Daher ist eine klare Grundhaltung, aus der heraus die neuen Herausforderungen bewältigt werden müssen als Fundament zwingend. Diese Haltung müssen wir im Wahlkampf verkaufen, und durch Personen, die diese Haltung verkörpern, um das nötige Vertrauen zu gewinnen und damit auch Wählerinnen und Wähler zu überzeugen. Was ich nicht mehr hören kann, ist die Allerweltsfloskel: „Die CVP ist die Partei, die Lösungen bringt.“ Auch die SVP und die SP bringen Lösungen, in dem sie die Zuwanderung stoppen und kriminelle Ausländer ausschaffen oder den Reichen mehr Steuern aufbrummen und den Kapitalismus abschaffen wollen. Aber diese Lösungen sind ideologisch eindimensional und daher schlecht für die Gesellschaft als Ganzes.
Unsere Kunst muss darin bestehen, die anstehenden Probleme aus unserem Menschenbild und aus unserem Verantwortungsverständnis heraus anzugehen und tragbare und für alle akzeptable Lösungsvorschläge zu verfolgen. Genau so, wie unsere CVP-Behördenmitglieder dies schon lange auf Gemeindeebene vorleben und deshalb auch gewählt und breit akzeptiert werden. Diese Überlegungen müssen sich alle Exponenten unserer Partei machen und aus ihrem christlichen Verständnis heraus ihre Antworten auf  politischen Fragen treffen. Nur so können sie diese Entscheidungen auch mit Leidenschaft und innerster Überzeugung in der Öffentlichkeit vertreten. Um wieder zum Wahlkampf zurückzukommen: nur überzeugte Vertreter verkaufen ihr Produkt, in diesem Fall die Politik der CVP, erfolgreich. Wir brauchen keine Nachbeter irgendwelcher blutleerer Argumentarien, sondern Leute, die sich mit der Sache auseinandersetzen, ihre Schlussfolgerungen ziehen und diese leidenschaftlich vertreten. Um wieder zu den christlichen Werten zurückzukehren: wir brauchen mehr heiliges Feuer, mehr Herzblut und mehr Begeisterung, dann können wir die Negativspirale stoppen und uns von der Beliebigkeitsmasse in der „neuen politischen Mitte“ abheben.

Alexandra Abbt