Das Grossratswahlgesetz zwischen Demokratie und Effizienz

An der Sitzung des Grossen Rates vom 20. März 07 wurde die erste Beratung des neuen Grossratswahlgesetzes durchgeführt. Bedingt durch die Verkleinerung des Parlamentes von 200 auf 140 Sitze wurde der prozentuale Stimmanteil für einen Sitz im Grossen Rat in einigen Bezirken zu hoch und damit nicht mehr verfassungskonform. Laut Bundesgerichtsbeschluss muss der Kanton Aargau auf die nächste Grossratswahl im Februar 2009 hin zwingend ein neues Wahlgesetz in Kraft setzen, das den Anforderungen der Bundesverfassung genügt.
Von der Systematik her war das Auszähl-Verfahren nach dem Mathematiker Friedrich Pukelsheim schon in der Kommissionsberatung nicht mehr gross bestritten. Bei dieser Methode werden zuerst die Anzahl Sitze der Parteien gesamtkantonal ermittelt und erst danach auf die Bezirke verteilt. Es fallen keine Restmandate mehr an, so dass der „Doppelte Pukelsheim“ den Wählerwillen so genau wie kein anderes Verfahren abbildet.
Aber gerade darin liegt auch eine gewisse Problematik versteckt, weil so auch Kleinst- und Splittergruppierungen durchaus eine Chance auf ein Grossratsmandat bekommen. Sie benötigen dazu gesamtkantonal einen Hundertvierzigstel aller Stimmen. Ein Teil der CVP-Fraktion sowie die anderen bürgerlichen Parteien befürchten den Einzug von einzelnen Querulanten und Gruppierungen mit grenzwertiger demokratischer Gesinnung, die mit der Überstrapazierung ihrer Redezeit und mit unsäglichen Vorstössen Parlament und Regierung auf Trab halten und den Ratsbetrieb unnötig verzögern. Hintergründig geht es einigen Parteien aber wohl eher um Besitzstandswahrung, da sie wahrscheinlich Sitze vor allem an Gruppierungen am politisch rechten Rand verlieren würden.
Vor diesem Hintergrund legte die vorberatende Kommission gegen den Willen der Regierung ein Quorum von 5% in einem der Bezirke fest, d.h. eine Gruppierung muss mindestens in einem Bezirk 5% der Stimmen erreicht haben, damit sie einen Sitz im Grossen Rat erhält, auch wenn sie gesamtkantonal genügend Stimmen hätte.
Die CVP-Fraktion setzte sich mit dieser Problematik gründlich auseinander und entschied sich grossmehrheitlich gegen jegliches Quorum. Wenn nun schon die Chance auf eine praktisch unverzerrte Repräsentation der politischen Kräfte im Aargauer Parlament besteht, wäre es höchst undemokratisch und eine krasse Missachtung der Wählerinnen und Wähler, dies durch eingebaute Hürden wieder zu verfälschen. Durch die Verkleinerung des Parlaments wurde ja die Schwelle für ein Mandat bereits höher. Die CVP ist der Meinung, dass unser System durchaus ein paar Querulanten verkraften kann (die übrigens auch in den etablierten Fraktionen zu finden sind…), aber es für unsere Jungpartei überaus schwierig werden dürfte, mit einer Zugangshürde einen Sitz zu erlangen. Nicht zuletzt deshalb setzte sich die CVP in der Beratung und in der Abstimmung gegen ein Quorum ein.
Die SVP hingegen stellte einen Antrag auf ein gesamtkantonales Quorum von 5%; dieser Antrag wurde demjenigen der Regierung gegenübergestellt, der auf jegliches Quorum verzichten wollte. Die CVP unterstützte hier die Regierung einstimmig, unterlag aber mit 65:67 Stimmen. Um ein weder vor Bundesgericht noch aus demokratischer Sicht vertretbares Quorum zu verhindern, stimmte die CVP in der folgenden Abstimmung für die Kommissionsversion mit 5%-Klausel in einem einzigen Bezirk, die schliesslich auch mit 99:30 Stimmen angenommen wurde.
Für die zweite Beratung wird sich die CVP wiederum für unsere Jungpartei und für eine demokratische Lösung einsetzen!

Alexandra Abbt, Grossrätin und Gemeinderätin, Islisberg